Donnerstag, 30. August 2012

Olympische Sommerspiele und Stadtentwicklung: Der Fluch des Goldes?



Die Olympischen Sommerspiele sind das größte Sportereignis der Welt. Etwa 4,7 Milliarden Zuschauer sahen zuletzt die Spiele in Bejing 2008. Die Zuschauerzahlen für die Spiele 2012 in London werden in Kürze erwartet. Die Diskussionen um eine eventuelle zukünftige Bewerbung entflammen auch in Berlin erneut und entfachen Mal für Mal die Gemüter der konträr gelagerten Interessengruppen. Befürworter proklamieren neben positiven Entwicklungen des lokalen Arbeitsmarktes und der überregionalen Wirtschaft im Allgemeinen auch regelmäßig Effekte für den Tourismus sowie einen beachtlichen, weltweiten Imagegewinn, der weitere Investitionen nach sich ziehen soll. Zudem werden potentielle Infrastruktur- und weitere städtische Gestaltungsmaßnahmen positiv hervorgehoben.

Kritische Stimmen stützen sich hingegen vor allem auf die immensen Kosten und versuchen damit, einer möglichen Bewerbung entgegenzuwirken. Die entsprechende Summe für die Austragung in Athen 2004 wird z.B. auf über 8 Milliarden Euro geschätzt und soll die Schwächung der griechischen Wirtschaft erheblich vorangetrieben haben. Montreal, als Gastgeber der Spiele 1976, benötigte etwa 3 Jahrzehnte, um die entstandenen Schulden zu tilgen. Tat-sächlich konnten bisherige Forschungsarbeiten in ihrer Tendenz nur sehr schwache bis gar keine Effekte auf Arbeitsmärkte, Tourismus und die wirt-schaftliche Entwicklung nachweisen, die die entsprechenden Kosten recht-fertigen würden. Eine vollständige Erfassung des gesamten Arsenals an Einflüssen blieb jedoch aus Gründen der Messbarkeit – bis jetzt – aus. 

In einer aktuellen Studie habe ich in Zusammenarbeit mit Volker Nitsch zum ersten Mal einen aggregierten Gesamteffekt aller Olympischen Sommerspiele seit 1896 auf die Gastgeberstädte untersucht. Die Analyse relativer Wachs-tumsraten der Bevölkerung gibt dabei an, ob eine Stadt im Vergleich zu anderen Städten nach Ausrichtung der Spiele schneller oder langsamer wächst. In der Stadtökonomie wurde in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen, dass Städte, die ihren Einwohnern einen erhöhten wahrgenommenen Nutzen bieten (wie etwa durch bessere Infrastruktur, mehr Arbeitsplätze oder auch ein Gefühl des Lokalpatriotismus), eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum schaffen. Diese lässt sich u.a. über das Wachstum einer Stadt messen. Wenn also das Ausrichten der Spiele in seiner Gesamtheit einen positiven Effekt auf die Gastgeberstadt ausübt, dann sollte sich dies über die relativen Wachstumsraten der Städte im Zeitablauf zeigen. Interessanterweise erkennt man jedoch eine andere Tendenz: Tatsächlich wachsen Gastgeberstädte nach den Spielen deutlich langsamer. Das deutet stark darauf hin, dass olympische Spiele eher negative Gesamteffekte auf die Stadtentwicklung haben.

Nun bleibt anzumerken, dass dies nicht bedeutet, dass eine Stadt unter keinen Umständen eine Bewerbung einreichen sollte. Die Ausrichtung der Spiele vermag es, bereits durchgeführte Maßnahmen der Stadtentwicklung wirkungsvoll zu vermarkten, wie es im Falle von Barcelona (1992) geschah. Außerdem lassen sich einzelne innerstädtische Aufwertungseffekte nicht leugnen.  Jedoch sollten sich Befürworter der Sache darüber im Klaren sein, dass die gesammelten Forschungsergebnisse darauf hinweisen, dass die enormen Kosten möglicherweise nicht durch nachfolgende positive Entwicklungsimpulse aufgefangen werden können.