Freitag, 13. Juli 2012

Von Gefangenendilemma und goldenen Käfigen: Zur Ökonomie des Denkmalschutzes




Die Beurteilung immaterieller Kulturgüter ist eine Herausforderung. Dementsprechend schwierig ist es, politische Programme wie den Denkmalschutz zu bewerten, welcher den historischen oder architektonischen Charakter besonderer Gebiete bewahren soll. In einer kürzlich veröffentlichten Studie, von einem Team aus LSE- und URBANCONTEXT-Forschern im Auftrag von English Heritage durchgeführt, haben wir uns dieser Frage gewidmet. In einem Kommentar des Leiters von English Heritage in der Financial Times wurde hervorgehoben, dass wir positive Effekte auf Preise und Wertentwicklung von Immobilien in englischen Denkmalschutzgebieten finden. Das ist richtig und doch nur ein Teil der gewonnenen Erkenntnisse. 

Die Herausforderung bei der Bewertung von Denkmalen und Denkmalschutzgebieten bzw. der Besonderheiten dieser Gebiete ist, dass die positiven Auswirkungen dieser Gebiete auf ihre Umgebung – und auf die Gesellschaft als Ganzes – nicht direkt auf dem Markt gehandelt werden. Da es keine direkt beobachtbaren Preise gibt, ist es schwierig, die Zahlungsbereitschaft der Menschen für solche Häuser bzw. deren Effekte in konkreten Zahlen auszudrücken.

Deshalb haben wir uns beobachtbaren Marktergebnissen zugewendet – anhand von über eine Mio. Immobilien-Transaktionen in ganz England seit 1995. Bei der Analyse von mehr als 8000 Schutzgebieten konnten wir zeigen, dass die Immobilienpreise – um andere Faktoren bereinigt – um ca. 9% höher liegen als anderswo, und mit der Dichte an historischen Gebäuden noch steigen. Zudem haben wir 111 ausführliche Interviews  mit Bewohnern in 10 dieser Schutzgebiete geführt. Ein Ergebnis ist, dass Menschen bereit sind, höhere Prämien für eine höhere ästhetische Qualität der Umgebung zu bezahlen.
Für Berlin habe ich eine ähnliche Studie durchgeführt: Ich habe den Einfluss historischer Gebäude und Baudenkmäler auf die Preise von Eigentumswohnungen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die über 16.000 Baudenkmale in Berlin signifikant auf die Umgebung und die Wohnungspreise in ihrer Umgebung ausstrahlen, und zwar bis zu einer Reichweite von 600m. Dies zeigt deutlich, dass zumindest einigen Menschen gebaute Ästhetik und historischer Charakter etwas wert ist. 

Gibt es auch Nachteile? Natürlich schränkt Denkmalschutz die Möglichkeiten Gebäude zu verändern erheblich ein. Unterschutzstellungen – welche das Gebäude nicht verändern, jedoch die Nutzungsmöglichkeiten beeinträchtigen – könnten deshalb den Wert von Immobilien verringern. Bei der Betrachtung von mehr als 900 seit 1996 ausgewiesenen Schutzgebieten in England konnten wir jedoch keine signifikanten Auswirkungen auf Immobilienpreise feststellen. Viele der interviewten Eigentümer unterstrichen die Notwendigkeit der Beschränkungen, die eine Benennung mit sich bringt.

Dies sind gute Neuigkeiten, da dies bedeutet, dass der Erhalt gesellschaftlich bedeutender Gebäude nicht unbedingt zu Lasten der Eigentümer gehen muss. Denkmalschutzgebiete lösen eine Form des Gefangenendilemmas. Wenn sich jeder Hausbesitzer um sein eigenes (historisches) Haus kümmert, ist jeder besser dran. Aber einzelne Hausbesitzer könnten versucht sein, von den Bemühungen anderer Hausbesitzer zu profitieren, ohne selbst zu investieren. Eine Regelung, die verbindliche und allgemeingültige Standards setzt, macht solches Trittbrettfahren schwerer.

Eine gesamtgesellschaftliche Bewertung der Denkmalschutzpolitik ist dagegen schwieriger. Sind Unterschutzstellungen im großen Stil im Interesse der Gesellschaft als Ganzes? Einerseits werden dadurch ästhetisch und historisch bedeutsame Gebiete erhalten. Andererseits wissen wir nicht, ob dadurch der Neubau und damit das Gesamtangebot an Wohnungen begrenzt wird und dadurch mittelfristig (und nicht durch eine besondere Wertschätzung) Mieten und Preise steigen. In einem URBANCONTEXT-Blogbeitrag hat Christiane Scholz für Berlin soziale Nebenwirkungen des Denkmalschutzes konstatiert – Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch höhere Mieten. 

Wenn dem so ist, kann zu viel Denkmalschutz goldene Käfige schaffen – schöne Städte, in denen Wohnraum für den durchschnittlichen Haushalt unerschwinglich wird. Was diese Frage angeht, steht die Forschung jedoch noch am Anfang.